Überstunden

Arbeite doch in einem Diner, haben sie gesagt. Es wird dir gefallen, haben sie gesagt. Es ist ein guter Job für ein Skelett, haben sie gesagt.

Zur Hölle mit denen, dachte sich Nick. Er hasste seinen Beruf. Unzählige Nachtschichten, Bezahlung unterm Mindestlohn, lange Arbeitstage, das ständige Stehen, die hässlichen Anfeindungen.

Hey Kalkgesicht, schmeiß mal ‘ne Tasse Kaffee her.

Wird‘s bald Bleichfresse?

Komm mal her, Knochenmann.

Na los, spiel mal Trompete.

Tagein, tagaus. Wenn er dachte, er hatte bereits alle gehört, kommt irgend so ein bärtiger, betrunkener Truckfahrer vorbei und belehrt ihn eines besseren. Er beschwerte sich auch gar nicht mehr beim Chef, hatte doch sowieso keinen Sinn. Der werte Herr Chef nahm ihn doch eh nicht ernst. Er war schließlich nur ein Skelett, was wusste ein Knochen schon von solchen Dingen.

Die Weltregierung erzählte zwar, dass jetzt Gleichheit zwischen den Rassen herrsche und das Diskriminierung und Rassismus gegen die Terranischen Rechte verstoßen, doch wer interessierte sich schon für tausende von Wörtern auf einem Stück Papier? Kurze Antwort: kaum jemand. Die Ungleichheit mag zwar theoretisch vorbei sein, doch in den Köpfen der Leute steckt sie immer noch tief drinnen wie ein übler Gehirntumor. Er erlebte es doch am eigenen Leib. Nicht nur hier im Diner, sondern auch draußen in der Öffentlichkeit. Einmal wurde er von einer Gruppe junger Männer in schwarzer Kleidung verprügelt. Und es sind nicht nur die Menschen, die ihn schlecht behandeln. Nein, auch Orks, Dragonier, Sardonier und Minotauren machen mit. Es ist immer einfach auf die Schwachen herum zu hacken.

Aber genug davon.

Heute war wieder einer dieser endlosen Tage, wo Nick bis zum Sonnenaufgang arbeiten musste. Das Diner war nämlich vierundzwanzig Stunden geöffnet, obwohl sich kaum einer nachts hierher verirrte. Es war zum Kotzen. Nick starrte die ganze Zeit auf die Uhr, es war eine Viertelstunde vor Mitternacht.

Er war ganz alleine im Laden, bis plötzlich jemand das Geschäft betrat. Ein alter graubärtiger Mann, gekleidet in einem schmutzigen Mantel mit Kapuze. Seine Augen zuckten nervös hin und her, sein Kopf machte ruckartige Bewegungen.

Na toll, ein Irrer, dachte sich Nick.

»Guten Abend, Sir.«

Der alte Mann sagte nichts, er schaute sich nur weiter um und saß sich dann an einem der Tische. Nick ging zu ihm hin, um eine mögliche Bestellung aufzunehmen. Kann ja sein, dass der werte Herr etwas zu essen möchte.

»Guten Abend, was darf ich Ihnen bringen?«

Schweigen.

Nick seufzte und versuchte es gleich nochmal.

»Möchten Sie etwas essen? Soll ich Ihnen etwas bringen?«

Immer noch keine Reaktion, stattdessen holte er Mann ein zerfetztes, ledernes Buch heraus und begann darin zu lesen.

»Leck mich doch am Arsch, alter Sack«, flüsterte Nick und ging, aber nicht ohne vorher einen kurzen Blick in das komische Buch zu werfen. Seltsame Zeichnungen, Diagramme, geometrische Figuren. Nichts davon machte Sinn für Nick. Er schüttelte seinen Kopf und ging zurück hinterm Tresen.

Wenigstens schien der alte Mann relativ harmlos zu sein. Er roch zwar unangenehm, sah ziemlich scheiße aus und war mehr als nur seltsam, doch Nick hatte schon Schlimmeres gesehen. Wenigstens spuckte er ihm nicht ins Gesicht. Darüber war er sehr froh.

Die Zeit verging und nichts passierte wirklich. Keine neuen Gäste kamen. Der alte Mann blätterte nur in seinem Buch, bis er auf einmal aufsprang mit einem irren Ausdruck im Gesicht. Er zückte aus seinem Mantel einen seltsam geformten Dolch und begann ihn sich immer und immer wieder in die Brust zu rammen. Blut strömte förmlich heraus und besudelte die Fliesen. Nick sprang erschrocken zurück, unfähig irgendetwas zu tun. Er hatte mit allem gerechnet, nur nicht mit so etwas.

Der alte Mann lachte manisch und fiel zu Boden. Er tauchte seine Finger in das Blut und begann Symbole auf dem Boden zu malen, er presste seine Hand darauf und die Zeichen begannen zu leuchten. Nick kam wieder hinter dem Tresen hervor, doch das Schauspiel war vorbei. Der alte Mann schien tot zu sein, zumindest atmete und bewegte er sich nicht mehr. Aber noch immer sprudelte etwas Blut aus ihm heraus.

»Was für eine Scheiße … ein verrückter Magier«, hauchte Nick.

Er ging zu dem alten Mann hin und fühlte seinen Puls. Kein Lebenszeichen. Definitiv tot.

Das hatte ihn gerade noch gefehlt. Was sollte er denn jetzt machen?

Was sollte er der Polizei erklären?

Ja, da war dieser alte Mann, der kam in mein Laden. Hat in sein Buch geblättert, alles ganz normal. Und auf einmal sprang er auf, lachte und rammte sich diesen Dolch in die Brust. Immer und immer wieder. Und dann war er tot. Aber ich schwöre, meine Herren, ich habe nichts damit zu tun.

Klar, wenn er mit diesem Märchen kam, würden sie ihm bestimmt nicht in den Knast bringen. Eher in die Nervenheilanstalt.

Er musste aber etwas tun. Er entschied, erst mal seinen Chef anzurufen. Soll er doch den Bullen die ganze Scheiße erzählen. Nick ging zum Telefon und wählte die Nummer. Er wartete. Kein Zeichen. Absolut gar nicht. Das Telefon schien tot zu sein. Er überprüfte, ob auch alles eingesteckt war und versuchte es nochmal. Er wartete. Wieder kein Zeichen. Er schmetterte den Hörer auf die Gabel.

Nick erinnerte sich daran, dass draußen vor dem Diner noch eine Telefonzelle stand. Er sprintete zur Tür. Dabei achtete er, dass er nicht in das Blut des Irren trat. Er sprang förmlich gegen die Tür, doch zu seiner Überraschung ging die Glastür nicht auf. Er drückte nochmal mit aller Kraft dagegen. Doch sie rührte sich nicht, so als wäre sie komplett verschlossen. Er presste sein Gesicht gegen die Glasscheibe, draußen war es stockfinster.

Stockfinster war noch eine Untertreibung, draußen herrschte quasi die Dunkelheit. Kein einziges Lichtlein war zu sehen, nicht mal die Straßenlaternen. Nichts. Nur endlose Dunkelheit. Nick wurde ganz mulmig, er bekam es langsam mit der Angst zu tun. Was geht hier nur vor sich?, dachte er. Er versuchte die Fenster des Geschäfts zu öffnen, doch auch das funktionierte nicht. Keins der Fenster ließ sich auch nur ein Millimeter bewegen. Er war gefangen. Gefangen im Diner.

Nick schaute auf die Uhr, sie war stehengeblieben. Pünktlich um Mitternacht.

»Was soll die ganze Scheiße? Ist das ein Scherz? Was soll das? Was soll das verfickt nochmal?«, rief er in den leeren Laden hinein.

Er ging zu den Tisch des alten Mannes und schnappte sich sein verfluchtes Buch. Er betrachtete es, ein altes Buch aus Leder. Auf der Vorderseite waren seltsame Symbole eingeritzt, zusätzlich stand dort der Titel: Immatericon. Er schlug es auf und blätterte herum. Nichts darin machte Sinn für ihn. Zeichnungen, Symbole, Anleitungen, abstoßende Kreaturen, Rituale.

»Was ist das? Was hat das zu bedeuten?«, er nahm das Buch und schmiss es wütend in die Ecke. Was soll er jetzt machen? Es gab keinen Ausweg, weder über die Eingangstür noch über die Fenster. Aber vielleicht … vielleicht war der Hinterausgang noch eine Möglichkeit. Nick machte sich sofort auf dem Weg nach hinten, doch die Flucht gestaltete sich schwieriger als gedacht. Der Hinterausgang schien sich in einem Labyrinth aus Gängen zu verstecken, unzählige Türen zierten die Wände.

Nick war schon gar nicht mehr überrascht, er öffnete einfach die erste Tür zu seiner linken. Dahinter verbarg sich ein schlichtes Büro, in der Mitte stand ein extrem dünner und hochgewachsener Mann im maßgeschneiderten Anzug. Statt eines menschlichen Schädels, trug er einen Fernsehapparat auf dem Kopf. Als der Mann Nick eintreten hörte, drehte sich sich seine Bildröhre zu ihm. Auf dem Bildschirm war nur ein Testbild zu erkennen. Er begab sich in die Hocke und kroch spastisch auf allen Vieren auf Nick zu, dabei gab er ein hohes Kreischen von sich. Nick schlug sofort panikartig die Tür zu. Seine Kalkhaut fühlte sich kalt an.

»Was zur Hölle war das?«, er wollte definitiv keine Türen mehr unüberlegt öffnen.

Doch wie sollte er jetzt den Ausgang finden? Hier gab es unzählige Türen. Unzählige Möglichkeiten. Er entschied sich fürs erste das riesige Labyrinth zu erforschen, vielleicht findet er ja so den Ausgang. Doch das war leichter gesagt als getan. Endlos viele Gänge mit endlos vielen Türen und hinter jeder Tür verbargen sich grauenhafte Abscheulichkeiten. Vielleicht gab es keinen Ausgang. Vielleicht wanderte Nick einfach bis in alle Ewigkeiten durch diese verfluchten Gänge. Was hatte er nur getan, damit er dieses Schicksal verdiente? Er hatte nie etwas Unrechtes im Leben getan, im Gegenteil! Andere waren schlecht zu ihn, andere haben ihn gemobbt, ihn geschlagen, getreten, bespuckt, beschimpft, angestarrt. Er war kein Böser, die Anderen waren es! Sein ganzes Leben lang schon wurde er mit Füßen getreten. Man hat nur auf ihn herabgesehen. Ihn angestarrt, als wäre er irgendein Monster, irgendeine abscheuliche, grässliche Kreatur. Nicht mehr wert als der Dreck auf den Boden.

Die Anderen hatten doch keine Ahnung, wie es war als Skelett aufzuwachsen. Sie mussten nicht in überfüllten Ghettos voller verarmter Bewohner aufwachsen. Sie mussten nicht von Sozialhilfe leben oder die Mülltonnen nach etwas zum Essen durchwühlen. Sie mussten sich nicht von Aushilfsjob zu Aushilfsjob hangeln. Sie mussten nicht in einer kaputten Familie leben, wo der Vater von Polizisten ermordet wurde und die Mutter an Depressionen litt, weil sie keine Perspektive im Leben mehr hatte. Wo die Mutter ihre Kinder vernachlässigte und sich zu Tode soff. Wo die Geschwister getrennt wurden und von ein Kinderheim ins nächste kamen. Keiner wollte die Kinder, keiner wollte sie adoptieren. Wer will schon Skelette als Kinder haben?

Nick war wütend, er hatte dieses verkackte Schicksal nicht verdient. Er hatte es nicht verdient auf ewig in diesem Labyrinth herum zu geistern. Er setzte sich und lehnte sich an die Wand, er hatte genug. Er hatte genug von allem. Er wollte einfach nicht mehr. Nick verschränkte die Arme vor der Knochenbrust und schloss die Augen.

Er wäre auch fast eingeschlafen, doch ein komisches Geräusch riss ihn aus dem Schlaf heraus. Er schreckte hoch. Was war das?, fragte er sich.

»Hallo? Ist da wer?«, rief er in die stillen Gänge.

Er stand auf, lauschte. Er versuchte es nochmal.

»Hallo?«, rief er etwas lauter.

Zuerst war da nichts, doch dann … Zischen. Klappern. Rattern. Kratzen. Zischen. Keuchen. Scheppern. Knistern.

Was ist das?, fragte sich Nick. Entsetzen stieg in ihm auf. Dann sah er den Schatten des Dinges. Gewaltig. Es kam hinter der Ecke zum Vorschein. Ein mechanisches Biest in spinnenartiger Form. Es kroch auf zwanzig stählernen Beinen, jedes Bein endete in scharfen Krallen. Unzählige Funken sprühende Kabel hingen aus sein Abdomen. Aus dem Rücken ragten Rohre heraus, die in unregelmäßigen Zügen heißen Dampf ausstießen. Zahnräder ächzten im Inneren der Kreatur. Sein Gesicht war eine menschliche Eisenmaske, die blau leuchtenden Augen fokussierten sofort Nick. Er wusste erst nicht, was er tun sollte. Schreien? Weglaufen? Kämpfen? Sei nicht albern. Er entschied sich für eine Kombination aus Option Eins und Option Zwei.

Die Spinnenkreatur rannte sofort hinterher. Und mit was für einen Affenzahn. Das Maschinenwesen keuchte und schnaufte, Dampf stieß heraus und füllte die Gänge. Währenddessen schrie Nick sich seine stäbchenförmigen Lungen heraus. Es war wie die alte Sagen vom legendären Helden, der in einem Labyrinth gegen den fleischfressenden Mino-Taurus kämpfen musste. Nur mit dem Unterschied, dass Nick kein legendärer Held und das Monster kein riesiger Bullenmensch war, sondern eine wild gewordene Spinnenmaschine.

Nick rannte, sein ganzer Körper brannte, er spürte den heißen Dampf bereits im Nacken.

Wann hört das endlich auf?, fragte er sich flehend.

Doch kurz bevor er die Hoffnung aufgab, sah er seine Rettung. Eine Tür, darüber stand in rot leuchtenden Buchstaben AUSGANG. Nick sandte ein Dankesgebet zum Skelettfürsten. Er öffnete die schwere Tür und verschwand augenblicklich dahinter. Und zwar keine Sekunde zu früh, noch etwas länger und die Klauen der Spinne hätten ihn erwischt. Die Kreatur gab ein zorniges Kreischen von sich.

Nick drehte sich erleichtert um, endlich war der Alptraum vorbei. Doch da hatte er sich echt getäuscht. Das war kein Ausgang, das war eine weitere Hölle.

Schwebende Felsbrocken verbunden durch schwebende Treppen. Der Himmel strahlte in den verschiedensten Farben, Farben die Nick noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Farben, die er sich überhaupt nicht vorstellen konnte.

»Wollt ihr mich jetzt eigentlich komplett verarschen?«

Er stieg die Treppen hoch, das war auch seine einzige Option. Ein Rückzieher war ausgeschlossen, die Tür war verschwunden. Und selbst wenn sie noch da wäre, draußen lauerte immer noch die Dampfspinne.

Nick begab sich also nach oben. Dort angekommen, machte er eine unerwartete Entdeckung. Er war nicht allein an diesem seltsamen Ort, auf der Spitze wartete jemand auf ihn. Ein altes Skelett im blauen Overall.

»Hallo, mein Kind«, begrüßte er Nick im freundlichen Ton.

»Was?«

»Erkennst du mich denn nicht, Nicky?«

»Ich … Ich … ähm … Nein … Nein, tue ich nicht«, er war verwirrt. Irgendetwas an diesem Mann kam ihn vertraut vor.

»Ich bin‘s … dein alter Paps.«

Nick verstand gar nichts mehr.

»Nein … Nein, das kann nicht sein. Er ist tot. Er ist schon lange tot. Du kannst nicht mein Vater sein!«

»Und doch … bin ich es. In Leib und Seele.«

Nick überlegte.

»Wie lautet der Mädchenname meiner Mutter?«

»Als ob ich das nicht wüsste. Rieschke.«

»Wie viele Geschwister habe ich?«

»Sehr einfache Frage. Drei. Robert, Carl und Jennifer.«

»Was hast du am letzten Tag der Woche immer gemacht?«

»Ich bin um acht Uhr morgens aufgestanden, hab mir ein Toast mit Ei und Bratwürstchen gemacht, hab mich in meinen grünen Ledersessel gesetzt und die Tageszeitung gelesen. Später gab es Mittag, dann hab ich mir ein paar Bier im Biergarten eingekippt und als du noch klein warst, hab ich dir abends deine Lieblingsmärchen vorgelesen.«

Jetzt war sich Nick sicher, das war sein echter Vater! Er rannte zu ihm hin und umarmte ihn fest.

»Paps! Paps! Ich hab dich so vermisst! Ich hab dich so sehr vermisst!«, Nick stand den Tränen nah.

»Ich hab dich auch vermisst, Sohn«, etwas stimmte nicht. Seine Stimme klang anders. Sie klang … hohl. Nick schaute seinen Vater an, Entsetzen breitete sich in ihm aus. Statt das liebevolle Gesicht, sah er eine hölzerne Karikatur mit weißer Farbe angemalt. Er löste sich sofort aus der Umarmung.

»Was ist denn los? Liebst du dein Vater denn nicht? Liebst du nicht deinen Paps?«, sprach das Holzding mit verstellter Stimme.

Nick sah auch die dünnen Fäden, mit denen die Marionette gesteuert wurde. Er schaute nach oben und sah zwei riesige weiße Hände mit tiefschwarzen Vene überzogen, die die Puppe kontrollierten.

Ein helles Kichern ertönte auf einmal.

Die Hände verschwanden in den Himmel, genauso wie die Puppe auch. Rauch strömte aus unsichtbaren Rohren auf den Fels. Das schrille Kichern wurde lauter. Feuerwerk erleuchtete den Himmel, Wunderkerzen fingen an zu brennen. Fanfaren und Trommeln ertönten. Aus der Wolke trat der Verantwortliche für das ganze Spektakel. Man könnte ihn als Mann bezeichnen oder zumindest als humanoid. Ein weißer Körper, dicke schwarze Venen zeichneten sich darauf ab. Kein Gesicht, keine Beine, es schwebte vor sich hin. Das Ding erinnerte Nick an einen Hofnarren, komplett mit seltsamen Hut. Es schien auch eine Art Mantel zu tragen, er wirkte … fleischig.

»Wa…«

»Nun schau mal nicht so trüb herein, Spaßbremse«, sprach es schriller Stimme.

Es schwebte zu Nick hin und schüttelte ihn kräftig die Hand. Die Berührung fühlte sich widerlich an, als würde man kaltes Hackfleisch mit den nackten Händen anfassen. Nick zog auf der Stelle seine Hand wieder weg.

»Du bist ja launisch.«

»Wer … Wer bist du?«, Nick konnte gar nicht in Worte fassen, was er gerade fühlte.

»Wer ich bin? Gute Frage, gute Frage. Vielleicht beantwortete ich sie dir auch. Vielleicht, vielleicht. Aber nur wenn du mir einen Gefallen tust.«

»Einen … Einen Gefallen?«

»Jajajajajajajajajajajaja. Einen Gefallen. Einen kleinen. Schüttel nochmal meine Hand. Na los. Tu es, tu es, tu es.«

Nick wollte es nicht machen, die Berührung der Kreatur widerte ihn an. Aber hatte er eine andere Wahl? Nein, nicht wirklich. Er schlug ein. Kurz darauf durchfuhr ihm ein gewaltiger Schmerz, er zuckte, versteifte und krümmte sich zusammen. Funken und Blitze sprühten aus dem Handschlag, Nick schrie entsetzlich. Die Kreatur ließ wieder los, Nick fiel zu Boden, Tränen standen in seinen Augen.

Das Ding lachte höhnisch.

»Was für ein Spaß, welch ein Spaß! Das war lustig, du hättest mal deinen Gesichtsausdruck sehen sollen. Köstlich! Einmalig! Unbezahlbar! Einfach … herrlich! Ich könnte ewig darüber lachen. Wirklich, wirklich. Aber nun gut, ich wollte dir ja sagen, wer ich bin«, das Ding drehte sich im Kreis und posierte dann voller Stolz vor Nick.

»Ich bin der immaterielle Gott der Anomalien, der Illusionen, der Trickserei, der Täuschung. Ihr nennt mich den Gott der Narren, Meister aller Scherze und Witze. Ich bin … Anomaluscairua«, er verbeugte sich und drehte sich dann von Nick weg, um mit einen unsichtbaren Publikum zu sprechen.

»Meine verehrten Damen und Herren, ich bin extra den langen Weg aus den chaotischen Untiefen des Immastellariums gekommen, um ihnen diese einmalige Show bieten zu können. Schnallen sie sich an, es wird eine wilde Fahrt.«

»Was soll der ganze Scheiß?«

»Du bist Gast in meiner witzigen Show. Mach dich bereit auf eine Menge Spaß.«

Nick war fassungslos.

Er schrie: »Jetzt hör mal zu, Lauchstange. Ich weiß nicht, was das ganze soll. Ich habe keine Ahnung, wer du bist oder wo ich hier bin oder was hier überhaupt Phase ist. Ich weiß nur, ich hab genug davon und das ich jetzt nach Hause will und zwar sofort! Ich bin ziemlich müde und ich habe keine Lust mehr auf irgendwelche verkackten Scherze und Witze.«

»Du willst also gehen? Willst du nicht nochmal deinen Vater sehen? Oder deine Mutter? Wie wäre es damit? Vielleicht kann ich eine schöne Geburtstagsparty für alle organisieren. Kaffee, Kuchen, Saft, Sahne. Das klingt doch herrlich, oder? Vielleicht lass ich auch deine Großmutter aus dem Grabe auferstehen. Die hattest du doch besonders lieb, nicht wahr? Ohh, ich hab noch so viel vor.«

»Nein. Nein. Nein. Neinneinneinneinneinnein! Ich will nach Hause! Lass mich gehen! Lass mich endlich gehen!«

Das Ding zuckte mit den Schultern.

»Wie du willst, Spielverderber.«

Auf einmal hielt sich Nick einen Revolver an den Schädel.

»Was zum …«

»Na, du möchtest doch gehen. Und der einzige Ausweg … ist der freiwillige Tod.«

Nick war entschlossen es zu tun.

»Ein kleiner Preis für Frieden«, sagte er trotzig .

Er schloss die Augen und drückte ab, doch kurz bevor die Kugel sein Licht auspustete, hörte er noch die Kreatur singen: »We‘ll meet again. Don‘t know where, don‘t know when. But I know we‘ll meet again some sunny day.«

Alles wurde dunkel. Nick öffnete die Augen, er befand sich wieder im Diner. War alles nur ein Traum? War es vorbei? War alles nur ein Teil seines überarbeiteten Geistes? Mitnichten.

Nick schaute zum Tisch des alten Mannes. Seine Leiche lag immer noch da, die Zeichen waren noch auf den Boden, das Buch lag noch immer auf dem Tisch.

»Ist das euer Ernst?«, flüsterte er.

»Dachtest du, du entkommst mir so leicht? Ne-ne. Der Spaß hat gerade erst angefangen. Ladies and Gentlemen, are you ready?«, sprach eine laute Stimme aus dem Nichts.

Nick war sich nicht sicher, ob er lachen oder weinen sollte.

KINGSOATHER TAGESZEITUNG

DINER VOM ERDBODEN VERSCHLUCKT

Behörden und Anwohner fassungslos

Das beliebte Diner »Marco‘s Kitchen« verschwand in der Nacht vom 22. zum 23. ohne irgendeine Spur zu hinterlassen. Die örtlichen Behörden stehen vor einem Rätsel, es gäbe keinerlei Hinweise auf dem Verbleib des Geschäfts, es gäbe auch keinerlei Hinweise auf irgendeine Form von Fremdeinwirkung. Officer McAllen sagte dazu: »Wir haben keine Ahnung. Es ist einfach nicht mehr da, so als hätte es nie existiert. Wir … Wir können nichts dazu sagen.«

Auf die Frage hin, wie die Polizei weiter verfahren möchten, antwortete man: »Wir werden die verfügbaren Informationen an den Magier-Orden weiterleiten. Sollen die sich doch die Köpfe darüber zerbrechen. Das hier steht nicht in unserer Macht.«

Es sind auch Briefe aufgekreuzt (auch bei unserer Redaktion), die mit dem Fall in Verbindung stehen könnten. In ihnen war nur ein Stück Papier mit den Worten: »Fürchtet euch nicht. Die AOO übernimmt ab hier.«

Die Stellungsnahme der Polizei dazu: »Keine Ahnung, wer das sein soll. Wahrscheinlich wieder irgendwelche Verrückte.«

Wir werden an den Fall dranbleiben und sie über weitere Kenntnisse informieren.

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