Da fiel Feuer von Gott aus dem Himmel, und verzehrte sie

Kein Vogel zwitscherte an diesem schönen, sonnigen Morgen, denn diese gefiederten Tiere waren schon lange von hier vertrieben worden, da ihr lauter, schriller Gesang die Anwohner bei ihrem Schönheitsschlaf störte. Und selbst wenn sie noch da wären, würden sie weder Nistplatz noch Futter finden. Wo denn auch? In den quadratisch angelegten Gärten wohnten nur aus fernen, exotischen Ländern hergeholte Zierblumen, die in den nördlichen Breiten eigentlich nicht lebensfähig waren, aber wem kümmerte das schon? Die Pflanzen starben im Herbst und im nächsten Frühling wurden dann neue gekauft. Kein heimisches Insekt konnte etwas mit diesem naturfremden Gewächs anfangen.
Der Rasen war millimetergenau beschnitten, dafür sorgte ein Mähroboter der neuesten Generation, dieser war sogar in der Lage, Pestizide, Insektizide und andere Gifte zu versprühen, um zu verhindern, dass sich Unkraut, Moose und unerwünschtes Kraut ausbreiteten. Gleichzeitig hielt der Giftcocktail auch andere Schädlinge fern: Schnecken, Würmer, Spinnen, Käfer, Ameisen, Grashüpfer, Bienen, Wespen, Fliegen, Wanzen, Mäuse und so weiter und so fort.
In diesem perfekt getrimmten Paradies gab es keinen Platz für solch unnütze Tiere, aber dafür für einen Zaun, einen BBQ-Grill und einem mit Chlor gefüllten Pool, dessen Wasser kam selbstverständlich aus den unteren Quellen, die von Jahr zu Jahr geringer wurden. Und sollten diese unerwartet doch eines Tages versiegen, dann wird das Wasser halt aus anderen Ländern, die massiv davon besitzen, importiert. Wir waren schließlich eine große, menschliche, globale Gemeinschaft und in einer Gemeinschaft teilte man sich doch alles.
Die umliegenden Wälder mussten schon längst dem stetig wachsenden Geschwür aus immer gleich aussehenden Einfamilienhäusern, die strenggenommen nur aus drei Zimmern bestanden und somit nicht größer waren als eine Neubauwohnung, weichen, die Teil einer immer größer werdenden Stadtsiedlung waren, designt von einem Heer aus Architekten, die in ihrem vierzehn Semester währenden Studiums anscheinend nur eine Kunstepoche, und zwar die letzte, behandelt hatten.
Platz für Windräder und Solarfelder wurde auch benötigt, schließlich wollte man unabhängig sein von Kohle, Gas oder von, Gott bewahre!, Atomkraft (egal ob nun Kernspaltung oder Kernfusion). Die letzten dieser Fossilien wurden vor ein paar Jahren dichtgemacht und dann gesprengt, damit die Menschheit nie wieder in Versuchung geraten würde. Schließlich war es viel klimafreundlicher und naturschonender, wertvolle Erze aus der Erde von weit entfernen Ländern zu holen, geschürft, selbstverständlich, von Kinderhänden. Da tat man nicht nur was für die Umwelt, sondern auch für die Wirtschaft schwächelnder Nationen. Wie bereits erwähnt wurde: Wir waren eine globale Gemeinschaft.
Um nochmal auf die eingangs erwähnten Vögel und der am Anfang gestellten Frage zurückzukommen: Wo sollten die Tiere nun ihre Nester bauen? Weder der Garten noch die weiten, gerodeten Landschaften waren geeignet (wenn sie dieses Paradies überhaupt unbeschadet erreichten und nicht schon vorher von den Rotoren der Windräder zerfetzt wurden). Es gab auch keine alten Scheunen oder andere verlassenen Gebäude mehr, denn alles Alte war schlecht, Tradition war reaktionär. Die Ruinen vergangener Tage wurden abgerissen, stattdessen errichtete ein Heer aus schlecht bezahlten Gastarbeitern neumodische, rechteckige, eierschalenweiße, hässliche Gebäude, die für alle Lebensmodelle geeignet waren … Es sei denn, man hatte mehr als ein Kind, aber wer wollte schon mehr als ein Kind haben? Kinder waren schließlich Parasiten, die dem glücklichen Leben im Weg standen, sie verbreiteten Krankheiten und schadeten dem Klima.
In den Einfahrten standen auch keine alten Verbrennermotoren, diese Verbrechen auf vier Rädern gegen die Umwelt, sondern hypermoderne, selbstfahrende Elektrofahrzeuge, jeweils in Silber, schwarz oder weiß. Die Materialien für die Batterien kamen aus den bereits oben erwähnten armen Ländern. Die Batterien selbst wurden dann in weniger schwächelnden Nationen zusammengebaut, die Fabriken mussten schließlich in einer sicheren Umgebung arbeiten können, konstante Bürgerkriege und Terroranschläge waren da einfach nicht hilfreich. Sobald die Batterien fertig gebaut waren, wurden sie in Container verladen und per Schiff in die reicheren Länder gebracht, wo fleißige Arbeiter sie in Autos einbauten, um sie dann wieder in die ganze Welt zu verschiffen.
Betrachten wir eines der Individuen, die in diesem Paradies lebten, etwas genauer. Momentan lag eines auf einer weißen Plastikliege und las mit gelangweilten Augen in einer Zeitung über … was auch immer, das war nicht von Belang, es hätte genauso gut ein Magazin über Bombenbau wie auch über Fußball oder Pornodarsteller sein können, die Augen wären nicht weniger gelangweilt gewesen. Das hier liegende Individuum war zweiunddreißig Jahre alt, männlich, aber es war auch mit anderen Geschlechtsidentitäten einverstanden, die Haut war durch die vielen Urlaube in exotische Länder und durch den stetigen Besuch im Solarstudio gut gebräunt, man wollte doch nicht schneeweiß erscheinen, was sollten sonst die Leute über einen denken? Am Ende glaubten sie noch, man wäre stolz darauf!
Das Individuum ging jeden Samstagabend in den Club, um neue Bekanntschaften zu machen, oder besser gesagt, um zu vögeln. Geschlecht wie Herkunft des Partners waren egal, man hatte keine Präferenzen, schließlich waren doch alle Menschen gleich und man wollte niemanden bevorzugen. Für längere Partnerschaften hatte man eh keine Zeit, außerdem war es doch sowieso ein veraltetes Modell ohne jegliche Zukunft. Das Individuum wollte sich nicht binden lassen und Kinder wollte es schon gar nicht, denn diese machen immer alles kaputt!
Das hier liegende Subjekt, das wir wie gerade wie ein Bärtierchen unter einem Mikroskop betrachten, arbeitete als Journalist für eine große Online-Zeitung, durchaus ein einfacher Job, richtige Recherchen waren nicht mehr notwendig, die Regierung gab die wichtigsten Punkte vor und danach hieß es schlichtweg: Lückenfüllen. Kein wirklich anspruchsvoller Job, aber er zahlte sehr gut.
Ansonsten ließ sich nicht viel über das Individuum, welchem wir nicht mal einen Namen geben, es lohnt sich einfach nicht, sagen. Es hatte keine herausragenden Hobbys, keine spannenden Gedanken, wenn es dann überhaupt dachte und die meiste Zeit über folgte es seiner hedonistischen Routine aus Ficken, Masturbieren, Videos gucken, erlaubte Drogen nehmen, weder an die Vergangenheit noch an die Zukunft denken, weiter sorglos in den Tag hinein leben und ab und an arbeiten.
Der Ablauf hätte sich noch jahrelang weiter so fortgesetzt, wenn am heutigen Tag nicht etwas passiert wäre, was dem endgültig ein Ende setzte.
Das Individuum hörte plötzlich einen lauten Knall, es schreckte hoch und ließ sein Hochglanzmagazin in den perfekt geschnittenen Rasen fallen. Etwas zischte über seinem Kopf hinweg, ein hallendes Brummen folgte. Dann weitere Knalle, das Individuum sprang hoch, schaute nach oben, scannte den blauen Himmel ab. Für einen kurzen Moment sah es eine Formation von Dreiecken, die genauso schnell wieder verschwanden, wie sie aufgetaucht waren.
Ein langgezogenes Pfeifen war zu hören.
Dann brach das Chaos aus.
Hinter dem Individuum explodierte sein heißgeliebtes Haus, es explodierte in tausende von Einzelteilen. Ein Betonbruchstück traf es am Kopf, zerschmetterte ihn, die Flammen erledigten den Rest, verbrannten den schmächtigen Körper. Vom gepflegten Garten blieb nichts als schwarze Asche.
Überall geschah dasselbe. Die schlecht gebauten, billigen Häuser explodierten, stürzten ein, begruben die nichts ahnenden Einwohner unter Geröll, schlossen sie in kruden Grüften ein. Passanten, die einfach nur spazieren waren, wurden von wild umherfliegenden Gesteinen enthauptet oder von Metallstücken aufgespießt, ihre leblosen Körper fielen einfach zu Boden, manchmal zuckten sie noch ein bisschen, in der Regel aber nur kurz.
Die Windräder krachten ineinander, fielen in die Solarfelder, zerstörten weitere Häuser und Gärten, begruben sie unter Tonnen von Beton und Stahl.
Feuer breitete sich aus, verschlang die fremden Zierpflanzen und den materialistischen Wohlstand. Die hochgepriesenen Elektroautos explodierten in einem großen Feuerball, manche von ihnen nahmen ihre Besitzer mit in ein heißes Grab.
An einigen Orten waren noch vereinzelte Schreie und Gewimmer zu hören, doch diese menschlichen Geräusche verstummten bald, zurück blieb nur noch das Knistern der Flammen.
Binnen weniger Minuten hatte sich die Siedlung in ein Schlachtfeld verwandelt, eine offene, brennende Wunde in der Landschaft. Und es wird nicht nur bei dieser einen bleiben, ein Feuersturm wird über das Land ziehen und er wird keinen Stein auf dem anderen lassen.

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